111 Geschäfte in Berlin, die man erlebt haben muss, S.146

Öz-Gida Supermarkt

Özgida Presse

Essen ist Heimat


„Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“, schrieb der Schweizer Autor Max Frisch 1965. Mecit Öztürk ist einer von Ihnen. Aus Görele im Herzen der türkischen Schwarzmeerprovinz Giresun hatte er sich nach Berlin aufgemacht. Seine Drei Söhne İbrahim, İlhan und Osman Halis Öztürk kamen 1979 nach. Nachdem İbrahim Öztürk Jahre in einem türkischen Imbiss und in einer Bäckerei gebuckelt hatte, machte er sich 1990 mit einem schlichten Obst- und Gemüseladen an der Sonnenallee selbständig. Sein Kalkül: auch Migranten kochen „wie bei Muttern“ und suchen vertraute Produkte. Die beiden Brüder stießen irgendwann dazu, man expandierte, nahm das deutsche Sortiment mit hinein und eröffnete einen Laden mit 1.000 Quadratmetern Verkaufsfläche im Herzen Schönebergs.

Öztürks haben erkannt, dass sie mit dem Wandel Schritt halten müssen, um Tante Emmas Ladenschicksal zu entgehen. Öz-Gida verkauft heut mit 40 Mitarbeitern 10.000 Artikel – einfach alles, nur ohne Schwein, Gelatine und Alkohol. Der Hobbykoch findet frische grüne Oliven und Mispeln, Johannisbrot und Kaktusfeigen, Wildgurken und junge Melonen, Merguez zum Grillen und leckere Pelmeni, griechischen Bergtee und Oregano in Bündeln, arabisches Harissa und Kardamon-Kaffee, getrockneten Fisch und geschächtetes Fleisch, italienische Pasta und russische Samoware. Nutella und Hohes C, Bionade und Bio-Kost, Spee und Ata gibt’s auch. Sternkoch Tim Raue schwärmte einst vom Kalbskamm aus der Metzgerei des Öz-Gida, rühmte ihren sorgfältigen Umgang mit Innereien, freute sich über die Frische des Portulaks.

Vieles ist anderswo auch im Angebot, aber nicht in dieser Sortimentstiefe und kaum in diesem Preis-Leistungs-Verhältnis. Vor allem muss man eine so freundliche und aufgeräumte Atmosphäre suchen. Der Verkäufer am Gemüsestand  kann auch beraten, wie man İmam bayıldı kocht. Das heißt: „der Imam fiel verzückt in Ohnmacht“ – und ist ein Auberginengericht.

111 Geschäfte in Berlin, die man erlebt haben muss, S.146
Patricia Schmidt-Fischbach, Ralph Bergel


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